Die Anfänge des Bergbaus in Castrop-Rauxel
Bevor in den nördlichen Stadtteilen des heutigen Castrop-Rauxel der Tiefbau auf Steinkohle begann, hatte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bereits Tagebau auf Raseneisenstein stattgefunden. Auch zu jener Zeit fand schon eine vergebliche Bohrung nach Steinkohle statt. Die Voraussetzungen für den Bergbau waren günstig. Noch in der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die nördlich von Castrop in den Bauernschaften Bladenhorst, Habinghorst und Ickern sich ausdehnenden Niederungswälder des Emscherbruchs, das Castroper Holz, das Grutholz und der Bärenbruch durch wenige Äcker und Wiesen durchzogen, die von den Gütern Bladenhorst, Voerde und Ickern sowie von einigen Bauernhöfen bewirtschaftet wurden. Durch die Bruchlandschaft schlängelte sich die fischreiche Emscher. Seit 1847 gab es die Köln-Mindener Eisenbahn mit dem Bahnhof in Rauxel. Die Schifffahrtskanäle wurden erst um 1900 geschaffen. Nur wenige unbefestigte Wege durchzogen das Gebiet. Die heutige Bahnhofstrasse und Wartburgstrasse wurden erst 1851 gebaut. Nur wenige Häuser standen in den Ortschaften. Die Gemeinde Ickern hatte um 1876 gerade einmal 357 Bewohner. In dünn besiedelten Emschertal konnten der vorhandene Raseneisenstein ohne große Probleme abgebaut werden. Den ersten urkundlichen Bergbau auf Raseneisenstein nördlich von Castrop betrieb der westfälische Industriepionier und Maschinenfabrikant Friedrich Harkort zu Wetter (1793-1880). Er legte am 6. Februar 1828 beim Königlichen Bergamt Bochum, Mutung auf ein Grubenfeld mit der Größe von rd. 1,318 km² ein. Die Fundgrube lag südlich der Emscher, wo vier Bauernschaften aneinander grenzten. Friedrich Harkort hatte an der Schürfstelle etwas 20 cm unter der Oberfläche eine auf gelblichem Sand abgelagerte ca. 25 cm dicke Raseneisensteinschicht aufgedeckt. Gleichzeitig mutete er das Feld Friedrich II. Bereits am 17. Juni 1828 begehrte Friedrich Harkort noch die Abbaurechte für ein Grubenfeld, das den Namen Harkort erhielt. Friedrich Harkort baute von 1828 bis 1833 rd. 20.500 Zentner Raseneisenstein ab und ließ ihn mit Fuhrwerken zu seiner Hütte in der Freiheit Wetter schaffen.
Zur Mitte des 19. Jahrhunderts begann ein Wettlauf um die in größerer Teufe vermutete Steinkohle. Bisher musste der Bergbehörde ein Mineral zur Inaugenscheinnahme durch Schürfen aufgedeckt werden, was in der Nähe der Ruhr, wo Steinkohlenflöze zu Tage treten, leicht durch Gräben oder in kleinen Schürfschächten erfolgen konnte. Am 2. November 1853 ließ das Preußische Handelsministerium in Berlin endlich den Nachweis von Mineralien auch durch Bohrungen zu. Im heutigen Castrop-Rauxeler Norden ließ der damalige Eigentümer des Hauses Bladenhorst, Kammerherr Freiherr Giesbert von Romberg, als erster ein Bohrgerät ansetzen. Als Betreiber mehrerer Zechen im Süden von Dortmund gehörte er zu den Pionieren des Ruhrbergbaus. Im Spätsommer 1854 schickte Giesbert von Romberg ein Bohrgerät nach Bladenhorst. Nachdem er auf ein Kohlenflöz stieß, stellte er die Bohrung ein. Warum der Kammerherr nicht weiter bohren ließ und die Mutung beim Bergamt nicht betrieb, konnte im nachhinein niemand sagen.
Die erste erfolgreiche Bohrung auf Steinkohle brachte 1856 der Kaufmann Emil Herdickerhoff. Sein Bohrgerüst stand in der heutigen Maslingstrasse auf dem Felde des Landwirtes Hagemann. Bei der Teufe von 281,7m erreichte Herdickerhoff am 21. Oktober 1856 ein Flöz. Er legte noch am selben Tage Mutung auf ein Grubenfeld mit dem Namen Brabänder ein. Damit war der Grundstein für das spätere Bergwerk Victor gelegt. Wohl wissend das er mit dem kleinen Grubenfeld kein wirtschaftliches Bergwerk betreiben konnte, setzte er ca. 600 m nördlich an der heutigen B 235 am Rande des Grutholzes eine weitere Bohrung an. Auch hier fand er ein bauwürdiges Flöz. Dieses ließ er als Feld Castrop eintragen. Am 1. Oktober 1865 trat das " Allgemeine Berggesetz für die Preußischen Staaten (ABG) in Kraft. Die ABG erhöhte auf Antrag die bisherige Feldesgröße von 1.033.138 m² auf 2.189.000 m². Das hatte auch Herdickerhoff sofort in die Wege geleitet. So entstanden die Felder Brabänder Erweiterung und Castrop Erweiterung. Nach Konsolidierungsbeschluss der Gewerken am 16. Februar 1867 wurden die Felder Brabänder Erweiterung und Castrop Erweiterung zum Feld Konsolidierte Castrop vereinigt. Am 11. November 1871 wurden diese zwei Maximalfelder in < Victor > umbenannt. Etwa sechs Monate vor der Bohrung für das Feld Castrop war der Bochumer Kaufmann Moritz Würfel in Pöppinghausen am heutigen Yachthafen am Rhein-Herne Kanal fündig geworden. Er legte Mutung auf das Feld Georg Wilhelm ein. Der Kölner Generalinspekteur August Bockholtz erbohrte 1866 das Feld Wilhelm August. Mit Vertrag vom 9. Februar 1872 wurden die Felder Victor, Georg Wilhelm, Georg Wilhelm Erweiterung und Wilhelm August zum Feld Konsolidierte Victor vereinigt. Der Bochumer Grubendirektor Wilhelm Riefenstahl setzte 1870 vier Mutungsbohrungen westlich von Deininghausen für die Steinkohlenfelder Edmond, Charles, Hermann und Wilhelm an. Die Felder Charles, Hermann und Wilhelm veräußerte Wilhelm Riefenstahl im April 1871 an Ernst Waldthausen der diese erneut mutete. Den vorläufigen Abschluss der Mutungstätigkeit für Victor bildete die Bohrung für das Steinkohlenfeld Lucie an der Wartburgstrasse im Bereich der heutigen Berufsschule durch den Essener Kreisrichter Gustav Cappell. Dieses Feld ging ebenfalls Mitte 1871 an Ernst Waldthausen. Nachdem dieser Ende 1871 auch das Feld Edmond erworben hatte versuchte er durch Zusammenlegung seiner Felder mit benachbarten Berechtsamen die Grundlage für eine Tiefbauzeche zu schaffen. Durch Vertrag vom 3. April 1872 wurden die von ihm kontrollierten Felder mit dem konsolidierten Feld Victor vereinigt. So entstand aus ursprünglich zwölf Einzelfeldern das Gesamtfeld Victor mit einer Größe von 19.680.341 m². Ebenfalls wurde am 3. April 1872 im Berliner Hof zu Essen die Konsolidation zum Steinkohlenbergwerk Victor vereinbart. Nach Gründung der Gewerkschaft Victor beschlossen die Gewerken am 7. April 1872 inmitten des konsolidierten Grubenfeldes eine Schachtanlage anzulegen. Bereits am 12. April 1872 tat Ernst Waldthausen den Spatenstich für das Abteufen des ersten Schachtes mit den Worten:
Glückauf zum guten Gelingen
Anlieferung von sechs Tübing - Schachtringen zum Bahnhof Rauxel, 1896
Die Vortriebarbeit der Strecken wurde mit Keilhauen, Fäusteln, Bohreisen, Handbohrern, Sprengstoff und Schaufeln bewältigt. Schon bald besorgte man sich einen druckluftbetriebenen Gesteinsbohrer der Schweizer Firma Gebrüder Sulzer & Winterthur. Diese Bohrmaschine war sehr sperrig und wog ca. 100 kg. Das für den Tunnelbau entwickelte Gerät konnte auf Grubenschienen gefahren werden. Der Hauptquerschlag der 3. Sohle wurde 1892/ 1894 mit dieser Gesteinsbohrmaschiene durch Schweizer Hauer vorgetrieben, die bei der Bewältigung des St. Gotthardt-Tunnels mitgearbeitet hatten.
Hydraulische - Bohrmaschiene der Gebrüder Sülzer & Winterthur
Der Firma Flottmann, gegründet 1872 in Bochum, wurde 1904 ein Reichspatent zu einem Bohrhammer mit Kugelsteuerung und selbsttätiger Umsetzung erteilt. Das nur noch 15 Kg wiegende Bohrgerät konnte von einem Mann gehalten werden. Schlagkolben und Bohrstange waren getrennt, so das die althergebrachte Schlägel und Eisenarbeit bei hoher Schlagzahl nachgeahmt wurde. Den erforderlichen Andruck musste der Bediener mit Muskelkraft selber aufbringen.
Die erste Belegschaft der Schachtanlage Victor I/II um 1880